Die Anforderungen an die Satzung von B Corporations aus Sicht des Rechtsexperten Dr. Karl von Rumohr
Folgender Artikel ist ein editiertes Teil-Transkript eines Online-Webinars mit Dr. Karl von Rumohr, Rechtsanwalt und Partner bei Dechert LLP. Für die Lesbarkeit sind dem Transkript Zwischen-Titel hinzugefügt worden.
Executive Summary
Die Anforderung an die Satzung (auch “Legal Requirement”) betrifft die Beschreibung des Unternehmensgegenstands im Gesellschaftsvertrag
Zweck und Wirkung der Satzungsänderung ist die Dokumentation und Erkennbarkeit der Zielsetzungen im Markt für externe Marktteilnehmer
Mit der Satzungsänderung geht eine Rahmengebung für die Geschäftsführung einher, die, wenn sie gegen die Ziele verstößt, ggf. im Innenverhältnis Pflichten verletzt, insbesondere im Innenverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bzw. Geschäftsführung und Gesellschafter
Eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis kann auch die Gesellschaft und B Lab betreffen, die im Zweifel die Zertifizierung zurückziehen kann
Nach außen aber geht keine Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft oder der Geschäftsführer einher
Einleitung
Die Aufnahme bestimmter Nachhaltigkeitsziele in die Regelung zum Unternehmensgegenstand in der Satzung ist eine der zentralen Voraussetzungen für die B Corp-Zertifizierung von Unternehmen. Im Rahmen der Zertifizierung nehmen die Unternehmen dazu einen für alle B Corporations gleich lautenden bestimmten Wortlaut in ihre Satzung. Den genauen Wortlaut der Satzungsänderung für z.B. die GmbH oder die AG ist hier einzusehen. Unternehmen verankern auf diesem Weg ein “Stakeholder-orientiertes Wirtschaften”, d.h. die ausgewogene Berücksichtigung der Interessen aller relevanten Interessensgruppen (“Stakeholder”) in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens.
An dieser Stelle wird oft die Frage gestellt, was die Satzungsänderung darüber hinaus konkret bedeutet und welche Implikationen sie für die zu zertifizierenden Unternehmen hat. Dr. Karl von Rumohr beantwortete in einem Webinar dazu die wichtigsten Fragen.
Welcher Teil des Gesellschaftsvertrags ist betroffen und welche Rechtsfolgen sind mit der Aufnahme der Formulierungen für B Corporations verbunden?
Von den von B Lab vorgegebenen und für alle B Corporations gleichermaßen geltenden Formulierungen betrifft die Beschreibung des Unternehmensgegenstands im Gesellschaftsvertrag. Die Beschreibung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung hat insbesondere die folgenden beiden Regelungszwecke: Zum einen wird dadurch nach außen für den Markt erkennbar, in welchen Bereichen die Gesellschaft tätig ist, insbesondere durch den Einblick in das Handelsregister. Zum anderen besteht die rechtliche Wirkung darin, für die Geschäftsführung einen rechtlichen Rahmen zu setzen, innerhalb dessen sie sich zu betätigen hat. Handlungen der Geschäftsführung außerhalb der Grenzen des Unternehmensgegenstand stellen grundsätzlich eine Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar. Insofern bietet die Beschreibung des Unternehmensgegenstands gleichzeitig einen gewissen Schutz für die Gesellschafter:innen bezüglich des Bereichs, innerhalb dessen die Geschäftsführung operativ tätig wird und vor einer übermäßigen Ausweitung der Tätigkeit der Geschäftsführung. Für den Zweck der Erkennbarkeit der Tätigkeit im Markt nach außen ist es auch wichtig, dass der Unternehmensgegenstand eins zu eins im Handelsregister eingetragen wird.
Um sich die rechtliche Bedeutung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung vor Augen zu führen ist es hilfreich zwei Begriffspaare voneinander abzugrenzen. Das eine Begriffspaar sind "Geschäftsführungsbefugnis" vs. "Vertretungsmacht". Das andere Begriffspaar betrifft das "Innenverhältnis" bzw. das "Außenverhältnis". Die "Geschäftsführungsbefugnis" beschreibt den Rahmen, innerhalb dessen die Geschäftsführung ihre Tätigkeit für das Unternehmen ausführen darf. Die Beschreibung des Unternehmensgegenstands in der Satzung kann die Geschäftsführungsbefugnis begrenzen bzw. Vorgaben für die Geschäftsführung machen. Die "Geschäftsführungsbefugnis" ist besonders für das "Innenverhältnis" der Geschäftsführung zu der Gesellschaft und den Gesellschaftern relevant, während die "Vertretungsbefugnis" sich insbesondere auch auf das “Außenverhältnis” der Gesellschaft zu außenstehenden Dritten auswirkt, d.h. ob also die Geschäftsführung die Gesellschaft wirksam gegenüber Dritten bei einer bestimmten operativen Tätigkeit vertreten kann. Wenn die Geschäftsführung sich daran nicht hält, verstößt sie im Innenverhältnis gegen ihre Pflichten, was ggf. durch die Gesellschafter:innen geahndet werden kann. Davon abzugrenzen ist der Begriff der "Vertretungsmacht", der beschreibt inwieweit die Geschäftsführung die Gesellschaft durch ihre Tätigkeit rechtlich wirksam binden kann (heißt auch: wirksam Verträge schließen kann). Das ist insofern von dem Begriff der Geschäftsführungsbefugnis zu trennen, als ein Geschäftsführer in der Regel auch jenseits der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes wirksam Verträge für die Gesellschaft schließen kann. Die für eine B Corp-Zertifizierung erforderliche Aufnahme der Formulierung der Nachhaltigkeitsziele in den Unternehmensgegenstand betrifft die "Geschäftsführungsbefugnis", schränkt aber insofern die "Vertretungsmacht" von Geschäftsführern und Vorständen nicht ein.
Welche konkreten Formulierungen zum Unternehmensgegenstand werden nun für die Zertifizierung vorausgesetzt?
Das betrifft zwei Bereiche des Unternehmensgegenstandes: einerseits die Beschreibung des "Gesellschaftszwecks" und andererseits die Frage, wie dieser Zweck zu verfolgen ist. Jede Satzung enthält am Anfang in der Regel eine Beschreibung des Unternehmensgegenstandes . An der Stelle erfordert B Lab eine Ergänzung, die darauf zielt, dass "die Geschäftstätigkeit eine erheblich positive Wirkung auf das Gemeinwohl sowie die Umwelt erzielen soll". Die zweite Ergänzung betrifft die Frage wie konkret bei Unternehmen und ihren Tätigkeiten das Erzielen dieser positiven Wirkung umgesetzt werden soll. Und zwar sollen bei allen unternehmerischen Tätigkeiten der Geschäftsführung der B Corporation "die Auswirkungen der jeweiligen Handlung der Gesellschaft auf bestimmte Personengruppen (die „Stakeholder“) und die Umwelt berücksichtigt werden". Zu den an dieser Stelle in der Satzung zu nennenden Stakeholdern gehören unter anderem die Gesellschafter der B Corporation, deren Mitarbeiter, ihre Kunden, die Gemeinden, in denen die B Corporation ansässig ist, und weitere mehr. Von B Corporations wird hier vorausgesetzt, dass dies im Unternehmensgegenstand verankert wird, sodass die Geschäftsführung stets bei ihrer Geschäftstätigkeit die Auswirkungen ihrer Handlungen auf diese Interessensgruppen berücksichtigt.
Hierbei rangieren diese Stakeholdergruppen allesamt auf demselben Level. Diesbezüglich ist ein weiterer Passus zum Unternehmensgegenstand zu ergänzen, der besagt, dass nicht verlangt werden kann, dass die Belange einzelner Stakeholder vorrangig vor anderen Stakeholdern berücksichtigt werden. Das ist das Ziel von B Corp: alle Interessensgruppen sollen gleichermaßen einbezogen und berücksichtigt werden (und nicht nur z.B. die Aktionäre eines Unternehmens).
Was sind die konkreten Rechtsfolgen der Satzungsänderung?
Zum einen bewirkt die Satzungsänderung für das Unternehmen selbst ein (z.B. über das Handelsregister) nach außen für den Markt deutlich sichtbares Bekenntnis zu den Nachhaltigkeitszielen von B Corporations. Der Markt kann daraufhin differenzieren, ob ein Unternehmen sich entsprechend an diesen Zielen orientiert oder nicht.
Zum anderen hat dies Folgen für die Gesellschaft bzw. Vorstand und Geschäftsführung, die durch die Ergänzung des Unternehmensgegenstandes einen zusätzlichen Rahmen für ihre Geschäftsführungsbefugnis erhalten: die genannten Interessensgruppen sind zu berücksichtigen und die Ziele zu verfolgen. Wenn die Geschäftsführung bei einzelnen Maßnahmen dagegen verstößt, können die Gesellschafter eventuelle Konsequenzen ziehen. Ggf. folgt der Entzug der Zertifizierung. Gerade durch die Aufnahme in die Satzung erhalten die aufgenommenen Nachhaltigkeitsbestrebungen mehr als programmatischen Charakter und werden zu rechtlich verbindlichen Vorgaben für die Geschäftsführung.
Mehr zu dem Thema Satzungsänderung bzw. “Legal Requirement” hier.